Universität Leipzig
19. – 22. September 2012
[R]evolution der Medien
Pressemitteilung der Universität Leipzig: https://www.uni-leipzig.de/newsdetail/artikel/8-frankoromanistentag-beginnt-am-19-september-in-leipzig-2012-09-12
„Ceci tuera cela“ heißt es in Victor Hugos berühmter medientheoretischer Reflexion über die durch die Erfindung der Druckerpresse ausgelöste Revolution. Die Epochenschwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit wird hier als das Ergebnis einer Medienrevolution verstanden, die die europäische Bewusstseinslandschaft tiefgreifend verändert. An die Stelle der steinernen Botschaft der Architektur tritt als Medium par excellence der „technischen Reproduzierbarkeit“ der Druck, der nicht nur Literatur und Wissenschaften in schnellere Bewegung versetzt, sondern zugleich auch individualisiert und immer weiteren Leserschaften zugänglich macht. Welche Bedeutung hat die Erfindung des Buchdrucks für die Zirkulation des Wissens und für die Innovationen der Literatur? Wie verändert das neue Medium die Herausbildung eines neuen Lesepublikums? Wie wirken sich Zeitung und Feuilleton mit ihrer Beschleunigung der Druckverfahren (Schnellpresse, Endlospapier) auf die Herausbildung neuer literarischer Formen wie Feuilletonroman und Reportage als journalistische Form aus? (Vgl. hier etwa den Aufsatz von Fritz Nies „Schnell und viel – Gattungsbildung in Frankreich im Zeitalter des Endlospapiers“) Wie wurden und werden Medienumbrüche in der französischen und frankophonen Literatur immer wieder neu reflektiert? Welchen Einfluss hatte und haben sie auf die Sprache? Welche politische Rolle kommt in diesem Zusammenhang dem Schriftsteller zu? Inwiefern können aber auch die neuen Kommunikationsformen, die die medialen Revolutionen der allerjüngsten Zeit hervorgebracht haben, auf gesellschaftliche Verhältnisse Einfluss nehmen?
Das Thema unseres Kongresses „[R]evolution der Medien“ kann aber auch in anderer Weise verstanden werden. Das Medium der Sprache und die Medialität der Literatur sind ein wesentlicher Forschungsgegenstand der Frankoromanistik. Wie reflektieren die literarischen Werke ihr eigenes Medium? Wie werden Gattungskonventionen und Gattungsgrenzen problematisiert und überschritten? Mit den sogenannten ‚neuen’ Medien hat sich das Feld der Frankoromanistik grundlegend erweitert: Die vergleichende Medienwissenschaft ist wie die Intermedialität und die Medienanthropologie zu einem Bestandteil unserer Forschung geworden. Hier stellt sich die Frage nach Literatur und Theatralität, Medien und Raum, Medien und Kunst. Filme, filmische Transpositionen, Text-Bild-Relationen, bande dessinée und Photographie, die Medien Fernsehen, Presse, Radio und Internet (Blogs, Netzliteratur…) haben schon ihren Ort in Forschung und Lehre gefunden. Insbesondere ließe sich die Frage nach den Spezifika der französischen und frankophonen Medienkultur(en) und ihrer interkulturellen Vergleichbarkeit aufwerfen. Auch der Einfluss neuer Technologien auf die Sprach-, Text- und Filmanalyse stellt ein interessantes Thema dar. In der Linguistik haben die Medienrevolutionen der jüngsten Zeit ein neues Interesse an der medialen Konstituierung von Sprache geweckt. Hier öffnet sich ein weites Forschungsfeld mit der Frage nach Diskursivierung und medialer Kommunikation. Aber auch der Frage nach der Verarbeitung sehr großer Datenbestände (data mining) lässt hier sich nachgehen.
In all diesen Bereichen lassen sich vielfältige Fragestellungen entwickeln, die Literatur-, Sprach-, Kulturwissenschaft und Fachdidaktik gleichermaßen interessieren und die auch zu gemeinsamen Sektionen führen könnten.
Leipzig bietet als Ort der friedlichen Revolution von 1989 und als eine Universität, an der der große Romanist und Aufklärungsforscher, Werner Krauss, von 1947-1957 gelehrt hat, den idealen Rahmen für einen Frankoromanistenkongress, in dessen Mittelpunkt die Frage nach der [R]evolution der Medien steht.