Transversale Sektionen Kassel 2026

Die Sektion widmet sich der linguistischen Analyse multimodaler digitaler Texte sowie deren reflektierter Vermittlung im Fremdsprachenunterricht, insbesondere mit Blick auf die Förderung demokratischer Diskurskompetenz. Im Zentrum steht die Frage, wie digitale Kommunikate und ihr Vorkommen in Kommunikationsräumen (insbesondere soziale Medien) zugleich Bedrohung und Chance, Risiko und Ressource für demokratische Aushandlungsprozesse darstellen. Die Sektion greift dabei zentrale Herausforderungen der Gegenwart auf, wie Sprachverrohung (hate speech) in digitalen Räumen, die Verbreitung populistischer Narrative (fake news) und die Verschiebung des Deutungsmonopols in algorithmisch gesteuerten Informationssystemen.

Sie verbindet auf der Beschreibungs- und Analyseebene Verfahren der kognitiven Textlinguistik, Semantik, Mediensemiotik, Diskurspragmatik und Fremdsprachendidaktik miteinander. Ziel der Sektionsarbeit soll sein, digitale Formate wie Memes, Kurzvideos, Karikaturen oder KI-generierte Inhalte, visuelle Zitate etc., die sich durch Verdichtung, komplexe semantische Schichtungen, genre-typische Reduktionsverfahren und persuasive Strukturen, Polyphonie und multimodale Codierungen auszeichnen, linguistisch zu analysieren (etwa in der Untersuchung von semantischen Tiefenstrukturen, impliziten Deutungsangeboten, visuellen Frames und emotiven Zuschreibungsmechanismen) und didaktisch nutzbar zu machen. Das Verständnis dieser Phänomene erfordert Wissen über Textsortenkonventionen, über Frames und deren Abrufung sowie über affektive Bedeutungszuweisungen. Gerade in scheinbar einfachen Formaten – wie TikTok-Videos oder ‚Tweets‘ – manifestieren sich hochkomplexe kommunikative Prozesse, die kognitiv auf verdichtete Bedeutungszuweisungen, Affektmobilisierung und Gruppenaffiliation setzen. Eine Linguistik, die auch multimodale Diskurse zu ihren Forschungsgegenständen zählt, muss diese Prozesse ebenso dechiffrieren wie die Bildsemiotik und Textbildrelationen (vgl. Ironie, Sarkasmus, visuelle Metaphern, symbolische Verschiebungen).

Ein zentrales Anliegen der Sektion ist neben der linguistischen Beschreibung und Analyse der genannten Phänomene auch die Vermittlung multimodaler Textkompetenz als einem Schlüssel zu Digital Literacy und Demokratiebildung. Gerade im digitalen Raum sind Textformen hochgradig verdichtet, zeichnen sich durch Reduktion auf Schlagbilder, semantische Überlagerungen und eine Polyphonie oder ‚Echobildung‘ diskursiver Positionen aus. Solche Textsorten stellen besondere Anforderungen an ihre analytische Erfassung und an ihre didaktische Modellierung – sei es im Kontext des fremdsprachlichen Klassenzimmers, in der universitären Ausbildung oder im gesellschaftspolitischen Transfer: Lernende sollen in die Lage versetzt werden, manipulative Strategien zu erkennen, mediale Diskurse kritisch zu deuten und selbst wirksam am digitalen Kommunikationsgeschehen teilzunehmen. Die Vermittlung solcher Kompetenzen erfährt angesichts fremdsprachlicher Inhalte noch eine zusätzliche Herausforderung. Der Fokus soll daher nicht nur auf der Analyse liegen, sondern auch auf der didaktischen Umsetzung.

Die Sektion will darüber hinaus mit ihrer Arbeit einen Beitrag zur Interkulturalität leisten, indem sie Demokratiediskurse und Textsortenkulturen frankophoner Länder vergleichend in den Blick nimmt. So entstehen Impulse für eine europäisch und transkontinental anschlussfähige, gesellschaftlich relevante Forschung.

Der Transfer in die Gesellschaft soll ebenso essenzieller Bestandteil unserer Arbeit sein: Die Sektion zielt darauf, wissenschaftlich fundierte Impulse für schulische, hochschulische und außerschulische Bildungsprozesse bereitzustellen, um digitale Mündigkeit, kommunikative Selbstwirksamkeit und diskursive Resilienz zu stärken.

Mögliche Beitragsthemen:

· Kognitive Textverarbeitung und Reduktionsstrategien in Memes und viralen Posts

· (Visuelle) Frames und persuasive Bildkommunikation in sozialen Medien

· Narrativität und semantische Tiefenstrukturen in ‚Tweets‘ etc.

· Multimodale Textkompetenz im Fremdsprachenunterricht: Konzepte und Praxis

· Emotionale Semantisierung und Bild-Text-Relationen

· Kommentarspalten und digitale Meinungsbildung: diskursanalytische Zugänge

· Digital Citizenship Education im Französischunterricht

· Interkulturelle Perspektiven auf Bild-Text-Kommunikation im frankophonen Raum

Wir bitten um Vortragsvorschläge in dt. oder frz. Sprache mit einer Länge von höchstens 500 Wörtern (zzgl. Bibliographie) bis zum 31. Januar 2026 an die folgenden Adressen: jochen.hafner@lmu.de / wolf.johanna@lmu.de

Für die Einreichungen bitten wir die beigefügte Vorlage zu verwenden. Über die Annahme der Beiträge wird bis zum 28. Februar 2026 informiert.

Bibliographie

Allcott, Hunt/Gentzkow, Matthew. 2017. Social Media and Fake News in the 2016 Election. Journal of Economic Perspectives 31(2). 211–236.

Bender, Michael, Ruth M. Mell & Janina Wildfeuer. 2022. Zur Spezifik digitaler Medien als Diskursraum: Materialität, Daten, Affordanzen. In Eva Gredel (ed.), Diskurse – digital. Theorien, Methoden, Fallstudien, 27–45. Berlin, Boston: de Gruyter.

Dietz, Melanie M. & Nicole Kreckel (eds.). 2022. Politische Bilder lesen: Ein Werkzeugkasten zur Bildanalyse. Bielefeld: Transcript.

Felder, Ekkehard. 2018. Wahrheit und Wissen zwischen Wirklichkeit und Konstruktion: Freiheiten und Zwänge beim sprachlichen Handeln. In Ekkehard Felder & Andreas Gardt (eds.), Wirklichkeit oder Konstruktion: Sprachtheoretische und interdisziplinäre Aspekte einer brisanten Alternative, 371–398. Berlin, Boston: de Gruyter.

Gardt, Andreas. 2007. Linguistisches Interpretieren. Konstruktivistische Theorie und realistische Praxis. In Fritz Hermanns & Werner Holly (eds.), Linguistische Hermeneutik, 263–280. Tübingen: Niemeyer.

Gardt, Andreas. 2019. Wissenskonstitution im Text. In Karin Birkner & Nina Janich (eds.), Handbuch Text und Gespräch, 52–79. Berlin, Boston: de Gruyter.

Grampp, Sven. 2024. Politische Medienikonografie. Einführung zur Illustration. München: UVK Verlag.

Guess, Andrew, Brendan Nyhan & Jason Reifler. 2018. Selective Exposure to Misinformation: Evidence from the Consumption of Fake News during the 2016 US Presidential Campaign. European Research Council. 9(3). 4–39.

Hafner, Jochen & Johanna Wolf. 2025. Sage mir, was du siehst und ich sage dir, was du verstehst. Zur kognitiven Verarbeitung multimodaler Komplexität in politischen Karikaturen. In Laura Linzmeier, Alexander Teixeira Kalkhoff & Evelyn Wiesinger (eds.), «Parla, e sie breve e arguto.» Festschrift für Maria Selig, 333–341. Tübingen: Narr.

Jaki, Sylvia, Matthias Meiler, Jana Pflaeging & Janina Wildfeuer (eds.). 2024. Multimodalität in Wissensformaten. Berlin u.a.: Lang.

Klug, Nina-Maria .2020. Intertextual Reference in Image-Centric Discourse: Analytical Model, Classification, und Case Study. In Hartmut Stöckl, Helen Caple & Jana Pflaeging (eds.), Shifts toward Image-Centricity in Contemporary Multimodal Practices, 42–63. London: Routledge.

Klug, Nina-Maria. 2023. Verstehen auf den ersten Blick – oder doch nicht? Zur (vermeintlichen) Einfachheit kleiner Texte am Beispiel von Internet-Memes. In Angela Schrott, Johanna Wolf & Christine Pflüger (eds.), Textkomplexität und Textverstehen, 191–226. Berlin, Boston: de Gruyter.

Klug, Nina-Maria & Hartmut Stöckl (eds.). 2016. Handbuch Sprache im multimodalen Kontext. Berlin, New York: de Gruyter.

Knüpfer, Curd, Birgit Pfetsch & Axel Heft. 2020. Demokratischer Wandel, dissonante Öffentlichkeit und die Herausforderungen vernetzter Kommunikationsumgebungen. In Michael Oswald & Isabell Borucki (eds.), Demokratietheorie im Zeitalter der Frühdigitalisierung, 83–101. Wiesbaden: Springer VS.

Kress, Gunther & Jeff Bezemer. 2016. Multimodality, Learning, and Communication: A Social Semiotic Frame. London: Routledge.

Lobin, Henning. 2018. Digital und vernetzt: Das neue Bild der Sprache. Stuttgart, Weimar: Metzler.

Lüger, Heinz-Helmut. 2019. Die Pressekarikatur als persuasive Bildsorte. In Hans W. Giessen, Hartmut E. H. Lenk, Susanne Tienken & Liisa Tiittula (eds.), Medienkulturen – Multimodalität und Intermedialität, 231–244. Berlin u.a.: Lang.

Marx, Konstanze & Georg Weidacher. 2020. Internetlinguistik. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Tübingen: Narr.

Nöth, Winfried. 2000. Der Zusammenhang von Text und Bild. In Klaus Brinker u.a. (eds.), Text- und Gesprächslinguistik / Linguistics of Text und Conversation, vol. 1, 489–496. Berlin, New York: de Gruyter.

Roth, Kersten Sven, Martin Wengeler & Alexander Ziem (eds.). 2017. Handbuch Sprache in Politik und Gesellschaft. Berlin, Boston: de Gruyter.

Schelske, Andreas. 2013. Die kulturelle Bedeutung von Bildern: Soziologische und semiotische Überlegungen zur visuellen Kommunikation. Wiesbaden: Springer.

Schicha, Christian. 2000. Politik im Rausch der Bilder – Zur Wahrnehmung des Politischen in den Medien. In Erika Fischer-Lichte, Christian Horn, Sandra Umathum & Mathias Warstat (eds.), Wahrnehmung und Medialität, 159–175. Tübingen: Narr.

Schrott, Angela. 2023. Sprachkompetenz und Textkomplexität. Methodologische Überlegungen aus romanistischer Sicht. In Angela Schrott, Johanna Wolf & Christine Pflüger (eds.), Textkomplexität und Textverstehen, 31–68. Berlin, Boston: de Gruyter.

Schrott, Angela, Johanna Wolf & Christine Pflüger. 2023. Textkomplexität und Textverstehen. Einführende Überlegungen zu einer interdisziplinären Modellierung. In Angela Schrott, Johanna Wolf & Christine Pflüger (eds.), Textkomplexität und Textverstehen, 3–27. Berlin, Boston: de Gruyter.

Schwarz-Friesel, Monika. 2006. Kohärenz versus Textsinn. Didaktische Facetten einer linguistischen Theorie der textuellen Kontinuität. In Maximilian Scherner & Arne Ziegler (eds.), Angewandte Textlinguistik. Perspektiven für den Deutsch- und Fremdsprachenunterricht, 63–75. Tübingen: Narr.

Serafis, Dimitris & Janina Wildfeuer. 2025. Studying Soft Hate Speech Online: Synthesising Approaches from Multimodality Research und Argumentation Theory. In Matthias J. Becker, Marcus Scheiber & Uffa Jensen (eds.), Imagery of Hate Online, 201–220. Cambridge: Open Book Publishers.

Römer, David & Sören Stumpf. 2022. Verschwörungstheorien – und wie sie sprachlich glaubhaft gemacht werden. In Klaus Müller & Christopher Kirchberg (eds.), Verschwörungstheorien, 60–89. Berlin: adprint.

Weidacher, Georg. 2007. Multimodale Textkompetenz. In Sabine Schmölzer-Eibinger & Georg Weidacher (eds.), Textkompetenz: Eine Schlüsselkompetenz und ihre Vermittlung, 39–55. Tübingen: Narr.

Wildfeuer, Janina, John Bateman & Tuoma Hiippala. 2020. Multimodalität: Grundlagen, Forschung und Analyse. Eine problemorientierte Einführung. Berlin u.a.: de Gruyter.

Wildfeuer, Janina. 2025. Multimodale Texte lesen. Theoretische und methodische Bausteine aus der Multimodalitätsforschung. In Michael Staiger (ed.), Schrift / Bild – Lesen. Interdisziplinäre Perspektiven für die Leseforschung, 27–46. Berlin, Heidelberg: Springer.

Willems, Aline. 2020. Demokratie- und Europabildung im Französischunterricht – aber wie? Analyse und Vorstellung von Materialien für den Unterricht. In Kathleen Plötner & Aline Willems (eds.), Demokratie- und Europabildung: Krisen und Konflikte und deren didaktisches Potential für den Fremdsprachenunterricht Französisch, 39–76. Trier: WVT.

Wolf, Johanna. 2022. Fremder Text – fremde Welt? Zu Störungen im Organisationsablauf beim Verstehen fremdsprachlicher Texte. Berlin, Boston: de Gruyter.

Wolf, Johanna. 2023. In der Kürze liegt die Würze? Zur Messbarkeit von Komplexität in diskursiven Kurzformen auf Online-Plattformen. In Angela Schrott, Johanna Wolf & Christine Pflüger (eds.), Textkomplexität und Textverstehen, 231–257. Berlin, Boston: de Gruyter.

Zappavigna, Michele. 2012. Discourse of Twitter und Social Media: How We Use Language to Create Affiliation on the Web. London: Continuum.

Im Kontext der fremdsprachlichen Philologien erweist sich Künstliche Intelligenz (KI) als vielseitige Ressource, die nicht nur als dynamisches Werkzeug, sondern auch als reichhaltige Quelle (source) für Daten, Texte und Ideen fungiert und sogar selbst einen faszinierenden Forschungs- und Unterrichtsgegenstand (res) darstellt. Die Untersuchung der Auswirkungen ihres Einsatzes auf die Struktur und den Gebrauch von Sprache(n) eröffnet eine Forschungsschnittstelle, die ein ausgeprägtes transversales Potenzial beinhaltet. Im Mittelpunkt stehen sowohl das Nachdenken über KI-generiertes Sprachmaterial als auch der Einsatz von KI als Mittel zur Reflexion über Sprache bzw. zur Förderung der Sprachbewusstheit. So wird nicht nur eine Brücke zwischen den Disziplinen geschaffen, sondern es werden interdisziplinäre Ansätze und Synergien gefördert, die eine kritische Auseinandersetzung mit den Chancen und Herausforderungen von KI bei der Sprachbetrachtung anregen.
Im Bereich der Sprachwissenschaft beschreiben Groenewald et al. (2024) KI als “an indispensable tool in linguistics research, revolutionizing the way language is studied, analyzed, and understood” (ebd., 1255). Die Integration KI-basierter Techniken erlaube es Forschenden, Domänen wie Spracherwerb, das Erkennen linguistischer Muster oder semantischer Strukturen derart präzise zu analysieren, wie dies ohne KI kaum möglich sei (vgl. ebd.). In der romanistischen Linguistik beschäftigen sich unter anderem Martin et al. (2020), Cicero (2023) oder Massaro und Samo (2023) mit der Reproduktion von Sprache in Large Language Models (LLMs).
Auch in der Literaturwissenschaft steht die Arbeit mit KI in den letzten Jahren zunehmend im Fokus. Hier wird KI sowohl aus theoretischer Sicht (s. z.B. Bajohr 2021) als auch forschungsmethodisch Akazawa und Gius (2025) beleuchtet. Unter anderem wird die Frage diskutiert, inwiefern KI in der Lage ist, Literatur zu kreieren und damit schöpferisch tätig zu sein (vgl. Becker 2024), und welche Implikationen dies für das Verständnis von Autorschaft hat (siehe Catani 2023, Meerhoff 2021). Becker (2025) formuliert die etwas polemische Frage: “Will ChatGPT Be the Author of Your Next Favourite Novel?”.
In der Fremdsprachendidaktik schließlich eröffnet KI neue Perspektiven und bietet vielseitige Einsatzmöglichkeiten. Sie kann als wertvolle Ressource dienen, um die Fremdsprachenkenntnisse der Lernenden reflektierend anzuwenden und zu erweitern. Während hierzu in anderen Sprachdidaktiken bereits einige Publikationen Ideen für den sprachreflexiven Einsatz von KI vorstellen (s. Ballod 2024 für Deutsch, Alfes & Guttke 2024 für Englisch und Reinhardt 2025 für Spanisch), gestaltet sich die Literaturrecherche für das Französische als herausfordernder, obwohl auch hier einige unterrichtspraktische Vorschläge (s. z.B. Ißler & Korell 2025, Tokaryk 2023) und anderweitige empirische Studien zum Einsatz von KI existieren (s. z.B. Barthele 2025, Korell et al. 2025).


Insgesamt wird in allen drei Disziplinen deutlich, dass weiterer Forschungsbedarf besteht, wobei sich gerade ein Austausch und die Schnittstellenarbeit als besonders bereichernd erweisen dürften. Mögliche Fragestellungen sind unter anderem:
• Chancen und Grenzen von KI in der linguistischen Forschung: Wie kann KI zielführend in die linguistische Forschung eingebracht werden? Welcher Mehrwert ergibt sich im Vergleich zur Forschung ohne KI? Wo liegen Herausforderungen?
• Macht und Einfluss von KI auf die sprachliche Entwicklung des Französischen: KI vs. Académie Française; plurizentrische Perspektive: Welche Varietät profitiert zulasten anderer?
• Was kann KI wirklich leisten, wenn es um einen ästhetischen Gebrauch der französischen Sprache geht?
• Wie wird der literarische Stil bzw. der Stil eines/einer bestimmten Autors/Autorin (oder auch Epoche, Gattung, …) von KI nachgebildet – und was verrät das über unsere literaturtheoretischen Annahmen?
• Wie wird generative KI derzeit von Lehrenden und Lernenden des Französischen genutzt? Wird sie auch zur Schulung von Sprachbewusstheit bzw. im Bereich der Sprachreflexion genutzt?
• Wie kann (und sollte) KI genutzt werden, um Lernende bei der Sprachreflexion zu unterstützen? Wie kann KI zur Förderung metasprachlicher Kompetenz im Französischunterricht beitragen?


Mit unserer Sektion möchten wir den Fokus auf den Einsatz von KI bei der Reflexion über die französische Sprache legen und dadurch zu einem (sprach-)bewussten Umgang mit der Technologie aufrufen. Wie kann die res:source KI sprachreflexiv eingesetzt werden, sodass sie für die romanistische Forschung und Lehre nachhaltige Vorteile bringt?


Wir bitten um Vortragsvorschläge in dt. oder frz. Sprache mit einer Länge von höchstens 500 Wörtern (zzgl. Bibliographie) bis zum 31. Januar 2026 an die folgenden Adressen: florian.goedel@uni-marburg.de, tanja.prohl@uni-bamberg.de, janina.reinhardt@uni-marburg.de
Für die Einreichungen bitten wir die beigefügte Vorlage zu verwenden. Über die Annahme der Beiträge wird bis zum 28. Februar 2026 informiert.


Bibliographie


Akazawa, Mari & Evelyn Gius. 2025. Literaturwissenschaftlich arbeiten mit großen Sprachmodellen? Zwei Experimentreihen zur Textgenerierung mit künstlicher Intelligenz. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 55. 449–474.


Alfes, Luisa & Joel Guttke. 2024. Eine Bewerbung mit DeepL Write überarbeiten, Language Awareness fördern: Does AI know how to wow a job application? Unterricht Englisch 190.26–32.


Ballod, Matthias. 2024. Sprachreflexion und Sprachbewusstsein fördern – durch und mit künstliche(r) Intelligenz. Informationen zur Deutschdidaktik 48(2).


Bajohr, Hannes. 2021. Keine Experimente. Über künstlerische Künstliche Intelligenz. Merkur 75. 32–44.


Barthele, Raphael. 2025. Apprendre des mots en FLE avec ChatGPT. Babylonia 2025(1). 12–17. Online: https://doi.org/10.55393/babylonia.v1i.504


Becker, Jenifer. 2024. Können Chatbots Romane schreiben? Der Einfluss von KI auf kreatives Schreiben und Erzählen. Eine literaturwissenschaftliche Bestandsaufnahme. In KI: Text. Diskurse über KI-Textgeneratoren, ed. by Gerhard Schreiber & Lukas Ohly. Online: https://doi.org/10.1515/9783111351490-007


Becker, Jenifer. 2025. AI literature: Will ChatGPT be the author of your next favourite novel? De Gruyter Blog, 18 Juni 2025. Online: https://blog.degruyter.com/ai-literature-will-chatgpt-be-the-author-of-your-next-favourite-novel/


Catani, Stephanie. 2023. »Erzählmodus an«: Literatur und Autorschaft im Zeitalter künstlicher Intelligenz. In Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 64(2), ed. by Alexander Honold, Christine Lubkoll, Steffen Martus & Sandra Richter, 287–310. Göttingen: Wallstein.


Cicero, Francesco. 2023. L’italiano delle intelligenze artificiali generative. Italiano Lingua Due 2. 733–761.


Groenewald, Elma Sibonghanoy, et al. 2024. Artificial intelligence in linguistics research: Applications in language acquisition and analysis. Naturalista Campano 28(1). 1253–1262


Ißler, Roland & Johanna Lea Korell (eds.). 2025. Künstliche Intelligenz und Schreiben. französisch heute 56(2).


Korell, Johanna Lea; S. Nijhawan; R. Ißler & B. Viebrock. 2025. Fremdsprachenlernende und Künstliche Intelligenz: Eine empirische Untersuchung zu Kenntnissen, Meinungen und Nutzungsweisen von Englisch-, Französisch- und Spanischschüler:innen der Sekundarstufe I und II. Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 36(1). 135–156. Online: https://doi.org/10.3278/ZFF2501W009


Martin, Louis; B. Muller; P. J. O. Suárez; Y. Dupont; L. Romary; E. de la Clergerie; D. Seddah & B. Sagot. 2020. CamemBERT: a tasty French language model. arXiv:1911.03894.


Massaro, Angelapia & Giuseppe Samo. 2023. Prompting metalinguistic awareness in Large Language Models: ChatGPT and Bias Effects on the Grammar of Italian and Italian Varieties. Verbum 14. 1–11. Online: https://dx.doi.org/10.15388/Verb.42


Meerhoff, Jasmin. 2021. Verteilung und Zerstäubung. Zur Autorschaft computergestützter Literatur. text + kritik X(21). 49–61.


Reinhardt, Janina. 2025. Los generadores de texto con IA. Mit und durch KI-Textgeneratoren Schreiben lernen und Sprachbewusstheit fördern. Der fremdsprachliche Unterricht Spanisch 89. 30–37.


Tokaryk, Jana. 2023. En dialogue avec l’IA. Konversationen mit Chat GPT im Unterricht führen. Der fremdsprachliche Unterricht Französisch. 182. 45.

Das offizielle Selbstverständnis der französischen Nouvelle Vague setzte vor allem auf zwei wesentliche Forderungen, die man unbedingt umsetzen wollte, um das Kino zu revolutionieren: Eine Aufwertung des Regisseurs im Sinne von eigenständiger Autorschaft und das Primat des Stils, der filmischen écriture im Sinne von Astrucs caméra-stylo (1949). Der wichtigste Vordenker dieser politique des auteurs war neben Alexandre Astruc und André Bazin der junge Filmkritiker François Truffaut, der in seinem polemischen Essay Une certaine tendance du cinéma français (1954) für eine Entstaubung des konventionellen „cinéma de qualité“ plädierte. Es sollte noch fünf Jahre dauern, bis Truffaut in seinem ersten Spielfilm LES 400 COUPS (1959) seine eigenen Vorstellungen in die Praxis umsetzte, ja, man könnte sagen, dass mit diesem Debüt die Nouvelle Vague erst richtig begann. Viel wurde über Truffauts neuen Stil geschrieben, über Bezüge zu Vorläufern, über Selbstreferentielles, Intermediales und Autobiografisches. Man war sich Jahre später einig, dass Truffaut im Zuge seiner von ihm selbst propagierten ästhetischen Revolution des Kinos längst nicht so radikal vorgegangen ist wie sein Mitstreiter Godard. Dabei ging in der Rezeption teilweise unter, dass es sich bei LES 400 COUPS um ein Adoleszenzdrama handelt, in dem es um das Schicksal eines vernachlässigten Jungen geht, der mit allen Mitteln um Aufmerksamkeit, Zugehörigkeit und soziale Handlungsmacht kämpft. Mehr als das ließe sich feststellen, dass Truffaut mit seinem Erstling, der die Schattenseiten der Trente Glorieuses aus der Sicht eines Heranwachsenden beleuchtet, einen Prototypen des Jugendkinos hinterlassen hat, an dem sich Filmschaffende bis in die Gegenwart abarbeiten (z.B. Kassowitz in LA HAINE und Dolan in J’AI TUÉ MA MÈRE).
Auch heute hat das Soziale wieder Konjunktur in den künstlerischen Feldern. In der französischen Gegenwartsliteratur findet seit der Jahrtausendwende eine lebhafte Auseinandersetzung mit dem Schicksal der sog. classes populaires statt, häufig in Form von Narrativen erschwerter Adoleszenz (z.B. E. Louis, N. Mathieu, F. Daas), so dass man konstatieren kann, dass Darstellungen von Kindheit und Jugend gleichsam zum Gradmesser sozialer Transformationsprozesse geworden sind (vgl. Henk/Schröer/Schuhen 2022; Henk/Sauer/Schuhen 2024).
Noch unzureichend erforscht scheint in diesem Zusammenhang das frankophone (Gegenwarts-)Kino zu sein. Die Sektion lädt dazu ein, Filme aus der Frankoromania mit dem Fokus auf fragile Teilhabe von Jugendlichen in Bildung und Gesellschaft in den Blick zu nehmen. Die grundlegende Annahme ist, dass Partizipation zwischen sozialen Akteuren und Institutionen stets ausgehandelt werden muss und folglich per se fragil ist. Im Zusammenhang von Agency – verstanden als soziale Handlungsfähigkeit bzw. -macht (vgl. Melber 2017) – lassen sich die Bewältigungsstrategien von Ungleichheiten im Spiegel sozialer Differenzlinien wie class, race und gender analysieren. Agency wird, so die weiterführende Vermutung, zur unumgänglichen Ressource im Bemühen um individuelle wie kollektive Partizipation am Bildungssystem, an Familien- und Freundschaftsnetzwerken.
Das vermehrte Interesse an den Lebensphasen von Kindheit und Adoleszenz in der anglophonen Filmwissenschaft (vgl. Shary 2007; Wojcik 2016; Brown 2017; Lury 2022) möchten wir auf das Kino der Frankoromania übertragen. Tatsächlich verhandeln viele Regisseure und Regisseurinnen im Rahmen divergierender ästhetischer Programme Teilhabebemühungen von Heranwachsenden in der spätmodernen Gesellschaft. Dazu gehören etwa das Cinéma de Banlieue (u.a. Mathieu Kassovitz’ LA HAINE (1995), Céline Sciammas BANDE DE FILLES (2014) oder Ladj Lys LES MISÉRABLES (2019)), sowie Schulfilme, wie Abdellatif Kechiches L’ESQUIVE (2003), Laurent Cantets ENTRE LES MURS (2008) oder LA VIE SCOLAIRE (2019) von Mehdi Idir und Grand Corps Malade. Um den Rückbezug zur Nouvelle Vague wieder ins Spiel zu bringen, lässt sich ferner beobachten, dass das Thema prekärer Adoleszenz auch im zeitgenössischen Autorenkino eine große Rolle spielt, etwa bei den Brüdern Dardenne, bei Xavier Dolan oder Céline Sciamma.


Auf diese Vorüberlegungen aufbauend, lädt die Sektion dazu ein, folgende Fragen an das frankophone Gegenwartskino zu stellen:
• Welche Verbindungslinien gibt es zwischen Jugend- und Autorenkino? Welche ästhetischen Programme liegen den Filmen zugrunde?


• Wie hängen Identitätssuche und Agency zusammen? Welche intersektionalen Verschränkungen lassen sich beobachten?


• Welche Hindernisse müssen Kinder und Jugendliche zwecks Partizipation in Bildung und Gesellschaft überwinden? Welche Strategien benutzen Kinder und Jugendliche, um Teilhabe zu erringen? Auf welche Kapitalien im Sinne von Bourdieu können sie zurückgreifen?


• Welche Genres bedienen die Regisseure, um Teilhabe zu inszenieren (z.B. Coming-of-Age-Film, Komödie, Sozialdrama)? Mithilfe welcher Motive und Narrative werden Bemühungen um Teilhabe erzählt?

• Welche Rollen spielen je verschiedene Settings (schulischer vs. außerschulischer Kontext)?

Wir bitten um Vortragsvorschläge in dt. oder frz. Sprache mit einer Länge von höchstens 500 Wörtern (zzgl. Bibliographie) bis zum 31. Januar 2026 an die folgenden Adressen: lars.henk@rptu.de / g.schuhen@rptu.de

Für die Einreichungen bitten wir die beigefügte Vorlage zu verwenden. Über die Annahme der Beiträge wird bis zum 28. Februar 2026 informiert.

Bibliographie

Brown, Noël. 2017. The children’s film: Genre, nation, and narrative. New York: Columbia University Press.

Henk, Lars, Lea Sauer & Gregor Schuhen (eds.). 2024. La popularité des classes populaires. Lendemains 189.

Henk, Lars, Marie Schröer & Gregor Schuhen (eds.). 2022. Prekäre Männlichkeiten: Klassenkämpfe, soziale Ungleichheit und Abstiegsnarrative in Literatur und Film. Bielefeld: transcript.

Lury, Karen (ed.). 2022. The child in cinema. London & Dublin: Bloomsbury.

Melber, Henning. 2017. Agency. In Dirk Göttsche et al. (eds.), Handbuch Postkolonialismus und Literatur, 128–130. Stuttgart: Metzler.

Shary, Timothy (ed.). 2007. Youth culture in global cinema. Austin: University of Texas Press.

Wojcik, Pamela Robertson. 2016. Fantasies of neglect: Imaging the urban child in American film and fiction. New Brunswick, NJ: Rutgers University Press.

‚Müll‘, definiert als Substanzen oder Objekte, die entsorgt werden (sollen) (vgl. OECD 2025: 11), wird von den Entsorgenden als unbrauchbar kategorisiert, kann aber refunktionalisiert werden und ist als kulturelles Artefakt für sprachliche und literarisch-ästhetische Repräsenta-tionen verfügbar. Wir verstehen Sprache und Literatur im Sinne Pierre Bourdieus als Ressour-cen, die auf dem sprachlichen Markt bzw. dem literarischen Feld von Akteuren zugewiesen, bewertet und eingesetzt werden. Diese konstituieren eine Praxis, in welcher Ressourcen nicht gleich verteilt sind und die durch Macht, Hegemonie und Konflikte geprägt wird. Bestrebungen der Legitimierung sprachlicher, literarischer und medialer Formen stehen in einem konfliktrei-chen Verhältnis zu Bestrebungen der Delegitimierung solcher Formen und Praktiken als „Müll reden“ oder Manifestation von Trash Culture.
Die Definition von Müll ist Gegenstand gesellschaftlich kontextualisierter Aushandlungen. Was für die einen unbrauchbar ist, wird von anderen als noch verwend- oder wiederverwertbar ein-gestuft. Als alltägliches Produkt unseres Zusammenlebens repräsentiert Müll auch metony-misch Konvivialität im Sinne einer relationalen Dimension des gesellschaftlichen Lebens, in der Ungleichheiten und Konfliktsituationen mitgedacht werden. In gesellschaftlichen Verhält-nissen, die ein Müll produzierendes Leben bzw. ein Leben in und mit Müll hervorbringen, kann dieser zu einer Ressource für die Sicherung von Subsistenz, die Generierung von Profit, aber auch für die Herausbildung widerständischer Praktiken und die Entwicklung alternativer Wirt-schafts- und Lebensmodelle werden. Im Rahmen dieser Ambivalenz werden die großen Fra-gen nach einem guten, menschenwürdigen Zusammenleben mit neuer Dringlichkeit gestellt und sprachlich-diskursiv, narrativ sowie in künstlerischen Ausdrucksformen behandelt.
Diese Sektion lädt dazu ein, die oben genannten Zusammenhänge und Ansätze aus den Blick-winkeln der verschiedenen frankoromanistischen Teildisziplinen weiter zu denken und dabei verschiedene Forschungstraditionen in der Fokussierung auf den frankophonen Raum unter dem Ressourcenaspekt aufeinander zu beziehen.

Die Sektionsaktivitäten können sich u.a. entlang folgender Fragestellungen bewegen:
• Wie wird Müll, seine Produktion und Verwertung sprachlich, diskursiv und ästhetisch reprä-sentiert und konstituiert?
• Welche ökolinguistischen und ökokritischen Annäherungen an Müll, Recycling, Verwertung und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen lassen sich formulieren?
• Wie wird Müll in Praktiken der Müllentsorgung und -verwertung als multimodale semiotische Ressource in der Gestaltung sprachlich-kommunikativer Konvivialitätsstrukturen erschlos-sen, genutzt und dargestellt?
• Welche Rolle spielt Müll bei der Strukturierung sprachlicher Landschaften?
• Welche enunziativen Standorte, epistemologischen Positionen oder (gegen-)hegemonialen Perspektiven artikulieren sich in sprachlichen und ästhetischen Mülldiskursen, und inwiefern findet dadurch eine Umkehrung des hegemonialen Othering statt (z.B. im Sinne des Ökofe-minismus)?
• Inwiefern produzieren digitale Kommunikation und digitale Ökonomie Müll? Wie lassen sich sprachliche Formen und kommunikative Funktionen von Spam beschreiben? Welche Rolle spielt die sprachliche Qualität der Daten, die von KI-Modellen verarbeitet werden?
• In welchen sprachlich-diskursiven und literarischen Repräsentationen von Müll manifestie-ren sich Nord-Süd-Asymmetrien, (postkoloniale) Dominanzverhältnisse und Ungleichheiten in der globalen Frankophonie?
• Was bedeutet Konvivialität in einer Umwelt, die durch Extraktivismus, Verschmutzung und bewaffnete Konflikte gekennzeichnet ist?


Wir möchten mit dieser Sektion einen Dialog anregen, in dem die einzelnen Beiträge Ansatz-punkte für die Erarbeitung multiperspektivischer Zugänge zu Müll als Ressource formulieren. Vergleichende Darstellungen, interdisziplinäre Brückenschläge und theoretische Vertiefungen sind willkommen.
Wir bitten um Vortragsvorschläge in dt. oder frz. Sprache mit einer Länge von höchstens 500 hanna.nohe@uni-giessen.de, falk.Seiler@romanistik.uni-giessen.de.
Für die Einreichungen bitten wir die beigefügte Vorlage zu verwenden. Über die Annahme der Beiträge wird bis zum 28. Februar 2026 informiert.

Bibliographie

DiscardStudies, https://discardstudies.com/ (14.07.2025).

WorldwideWaste. Journal of Interdisciplinary studies, https://whp-journals.co.uk/WW/index (14.07.2025).

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Cette section propose de repenser la crise haïtienne contemporaine à partir d’une hypothèse centrale : et si cette crise ne relevait pas seulement d’un effondrement sécuritaire (Boyard 2023 ; Neptune 2023) ou institutionnel, mais également d’une désintégration transversale des ressources – humaines, matérielles, financières et symboliques – révélant l’ampleur d’une dévastation systémique ? Dans un contexte où les logiques de dépossession héritées de l’ordre colonial se recomposent sous des formes néolibérales, Haïti apparaît comme un prisme d’analyse aigu des dynamiques contemporaines de chaos, de désagrégation sociale et de dé-symbolisation collective. Cette approche s’inscrit dans les débats actuels des sciences humaines et culturelles sur les rapports entre mémoires, ressources et souveraineté (Mbembe 2020 ; Trouillot 1995 ; Appadurai 2013).

Au moins quatre lignes de fracture structurent ce diagnostic. La première concerne l’érosion des ressources humaines : le déplacement massif des populations, l’exil forcé des compétences, la perversion des corps intermédiaires. Cette situation, symptôme d’un effondrement étatique programmé, alimente une fragmentation des subjectivités politiques. Dans la perspective de Hall (1990) et de Glissant (1997), cette mobilité imposée révèle une tension entre déracinement et invention de nouvelles territorialités réelles et imaginaires (Lahens, 2019, 1990). Mbembe (2020) y voit une véritable dépossession de sol, nourrissant un vide civique durable qui compromet toute projection collective.

La deuxième fracture touche les ressources matérielles, tant mobilières qu’immobilières, prises dans un brouillard spéculatif autour de leur spoliation : « Vous n’êtes plus chez vous au centre-ville », écrivait Le Nouvelliste à propos d’un arrêté daté du 3 septembre 2010, déclarant d’utilité publique certains périmètres du Centre-ville de Port-au-Prince. Il en va de même pour les ressources naturelles – or, pétrole, terres rares –, dont l’éventuelle exploitation future[1] souvent entourée de rumeurs et de manipulations, échappe à tout cadre de souveraineté. Lorsque Malcom Ferdinand propose de concevoir une écologie décoloniale à partir des Caraïbes (2019), la place d’Haïti est particulièrement centrale pour comprendre l’histoire de l’exploitation[2] dans la région, tant historique qu’actuelle. Comme l’analyse Sassen (2014), cette dynamique relève d’un nouvel extractivisme globalisé où la souveraineté des États périphériques est systématiquement contournée. Parallèlement, la reterritorialisation armée du pays par des gangs lourdement armés, approvisionnés depuis l’étranger, redessine les frontières effectives du pouvoir. Leurs actions – consistant à déloger les habitants de leurs domiciles, à fouiller et incendier leurs habitations – relèvent d’une stratégie qu’il importe de qualifier de « déguerpissement ou d’expropriation par gangstérisation ». Ce phénomène, qu’Agier (2015) associerait à l’urbanisation du conflit, reconfigure la carte politique, symbolique et stratégique du pays.

La troisième fracture, d’ordre financier, se manifeste à travers une dérégulation systémique : la gestion opaque des fonds post-séisme, telle que l’illustre Raoul Peck (2013), de même que les détournements massifs inhérents au programme PetroCaribe, (Cadet et Nesi, 2022), la sape des capacités fiscales nationales et la corruption endémique en constituent les principaux vecteurs. Ces phénomènes révèlent une inversion des fonctions régaliennes : l’État, loin de garantir la mission de justice redistributive, se mue en instrument d’appauvrissement collectif. Dans la perspective de Harvey (2003), il s’agit d’une accumulation par dépossession, où les institutions publiques et les flux financiers sont capturés par des logiques prédatrices. Ici, on peut transposer la question de Fredric Jameson, à savoir s’il est plus probable d’imaginer la fin du monde plutôt que la fin du capitalisme (Fischer 2009), à la question des économies alternatives au-delà des réseaux de relations de dépendance néocoloniales.

Enfin, la crise des ressources symboliques affecte les repères communs sans toutefois les anéantir. La langue créole demeure un foyer actif de résistance, d’invention et de reconfiguration. Des expressions telles que goudougoudou (nom donné au séisme de 2010) ou bwa kale (justice populaire spontanée) condensent la charge traumatique des événements tout en incarnant une réappropriation populaire du récit national. Bwa kale, en particulier, traduit une tentative spontanée de restauration symbolique de la justice face à l’impunité et à l’abandon étatique. Ricoeur (2000) éclaire ces dynamiques comme des pratiques de reconstruction narrativeface à la désintégration du sens. La littérature réagit à la catastrophe en réfléchissant de manière critique au sensationnalisme des discours médiatiques sur les catastrophes, en s’interrogeant sur les possibilités et implications éthiques de prise de parole face à une vulnérabilité multiple, tant sociale, environnementale que liée au genre. Parmi les ouvrages concernés, on retiendra notamment Tout bouge autour de moi (2010) de Dany Laferrière ; Failles (2010) de Yanick Lahens ; Corps mêlés (2011) de Marvin Victor ; Belle merveille (2017) de James Noël ; Les immortelles (2012) de Makenzy Orcel ; Aux frontières de la soif (2013) de Kettly Mars ; Ballade d’un amour inachevé (2013) de Louis-Philippe Dalembert ; Cathédrale des cochons (2020) de Jean D’Amérique ainsi que Guillaume et Nathalie de Yanick Lahens (2013), etc.

Ces fractures ne s’additionnent pas : elles s’entrelacent, se renforcent mutuellement et signalent une crise systémique des conditions mêmes de la vie en société. Pourtant, c’est dans ce champ symbolique et critique que surgissent des forces de réinvention. Une éthique des liens, au sens ricœurien – « la visée de la vie bonne, avec et pour autrui, dans des institutions justes » – trouve des ancrages concrets dans les pratiques artistiques contemporaines. Des artistes comme Michelle Ricardo, Lionel St-Éloi, Guerlande Balan, David Charlier ou Emmanuel Saincilus élaborent une grammaire de la prévention à travers des œuvres qui conjuguent mémoire, soin et alerte. Au regard de Latour (2017), l’art devient à la fois un levier critique, un geste réparateur et un outil de refondation de l’imaginaire institutionnel.

La crise haïtienne ne peut dès lors être pensée comme une fatalité chaotique. Elle constitue un moment d’intelligibilité critique permettant d’interroger les conditions de possibilité d’une justice symbolique, d’une mémoire active et d’une revalorisation des ressources dans toutes leurs dimensions, en vue d’une réparation effective et plurielle. La littérature et l’art ne se contentent pas de refléter les répercussions politiques, sociales et économiques de la crise, ils fournissent eux-mêmes un savoir poétique et contre-discursif. La narration spéculative, la polyphonie et la multiperspectivité jouent ici un rôle tout aussi important que le pouvoir de la narration spéculative d’imaginer l’avenir et la fonction communautaire d’un activisme littéraire ou d’une littérature engagée dans le sens du « soin » (Puig de la Bellacasa 2017, Boum Make 2025).


[1] En 2013, les débats sur l’exploitation minière en Haïti ont conduit une commission sénatoriale à interroger le directeur d’alors du Bureau des Mines et de l’Énergie. Ce dernier, visiblement désemparé, n’a pu que verser des larmes, suscitant l’ironie du journal Le Nouvelliste, qui titrait : « Les larmes du directeur général ». Entre-temps, plusieurs articles publiés tant en Haïti qu’à l’étranger, ont interrogé les conditions d’une éventuelle exploitation minière en Haïti, notamment en ce qui concerne les conséquences sociopolitiques et environnementales d’une telle décision. Par exemple, Peterson Dérolus critique l’exploitation minière comme une stratégie de développement économiquement suicidaire : haitiliberte.com. De plus, le site Mining Free Haiti met en lumière les défis juridiques et réglementaires, notamment le décret minier de 1976, obsolète et incohérent : Mining Free Haiti. Il souligne également les risques environnementaux à anticiper : Mining Free Haiti. Une récente interview de l’actuel directeur du Bureau des Mines et de l’Énergie n’a pas permis de clarifier les spéculations relatives aux terres en Haïti. Le directeur général Claude Prépetit a souligné la nécessité d’un diagnostic géologique précis pour évaluer la présence de ces minerais stratégiques et les perspectives d’exploitation: Haïti et les Terres Rares : Mythe ou Réalité ? Le DG du Bureau des Mines répond ! Pour plus de précisions, l’on peut consulter les liens suivants : Les révélations du Bureau des Mines et de l’Énergie sur le potentiel minier d’Haïti; Haïti : l’exploitation des ressources naturelles à venir expose le pays à de nombreux risques, selon un commentateur ; L’industrie minière en Haïti : résumé – version anglaise; Haïti’s natural resources: From crisis to opportunity ; Role of Hillary Clinton’s brother in Haiti gold mine raises eyebrows ; Clinton-run presidency swept up in Haitian gold permit affair ; Land grabs in Haiti are on the rise, while mining poses another threat; https://www.theguardian.com/global-development/poverty-matters/2014/jan/21/haiti-untapped-mining-resources-benefit-poor; https://www.theguardian.com/global-development/poverty-matters/2012/jul/02/haiti-mining-revenue-benefit-people; https://www.youtube.com/watch?v=j03hhD61VQw; https://www.cadtm.org/Conflict-of-Interest-World-Bank-to;  https://www.democracynow.org/2012/5/31/who_will_benefit_from_haitis_gold

[2] Voir entre autres, « Dark Finance », l’introduction à Hudson, Peter James. 2017. Bankers and Empire: How Wall Street Colonized the Caribbean. University Press Scholarship Online. URL: https://www.universitypressscholarship.com/view/10.7208/chicago/9780226459257.001.0001/upso-9780226459110-chapter-001. Consulté le 24 octobre 2025.


Nous demandons des propositions de contribution en allemand ou en français, les résumés n’excédant pas 500 mots (bibliographie exclue). La soumission des résumés se fait à l’aide du formulaire ci-joint. Veuillez envoyer votre proposition jusqu’au 31 janvier 2026 (date limite) aux adresses suivantes : legagneur_1977@yahoo.fr ; komorowska@uni-kassel.de

Les notifications d’acceptation seront envoyées avant le 28 février 2026.


Bibliographie

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  2. Agier, Michel. 2015. Le couloir des exilés. Paris : La Découverte.
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